Aalmassaker in Deutschland

Nach monatelanger Trockenheit hatte es in Deutschland endlich wieder geregnet, die Flüsse stiegen an. Das wiederum führte dazu, dass die großen Aale ihre Reise flussabwärts in die Sargassosee im Atlantik begannen. Doch viele von ihnen kommen dort nie an. Sie werden in Wasserkraftwerken getötet. Hier ein Bericht von der Lahn in Deutschland.

Aal - Massaker bei Ökostromerzeugung

Schubkarre frisch getöteter Aale in einer Lahn Wasserkraftanlage Schubkarre frisch getöteter Aale in einer Lahn Wasserkraftanlage

20.11.2015. Nach der monatelangen Trockenheit mit ganz geringen Niederschlägen, führten alle Fließgewässer den ganzen Herbst extremes Niedrigwasser. Der Abfluss der Lahn lag weit unter 10 Kubikmeter/Sekunde. Am Mittwoch (18.11.) kam dann endlich Regen, der sich bis zum Donnerstag so weit verstärkte, dass der Abfluss der Lahn auf weit mehr 60m3 /s verstärkte, was auch in anderen Flüssen zu stark ansteigenden Wasserständen führte.

Der starke Regen hatte für das laufende Jahr erstmals zur Folge, dass es in der Lahn (und allen Fließgewässern wie Main, Mosel, Fulda, Werra, etc. und den Nebengewässern) in den letzten Nächten zu einer massiven Blankaalabwanderung gekommen ist.

Gerade aus dem Rechengutbehälter mit Inhalt der letzten Nacht der Wasserkraftanlage an der Lahn entnommen Gerade aus dem Rechengutbehälter mit Inhalt der letzten Nacht der Wasserkraftanlage an der Lahn entnommen

(Blankaale sind geschlechtsreife Aale mit bis zu 2,5 kg Gewicht und Längen über einen Meter, die am Ende ihres Lebens, etwa nach 15 bis 20 Jahren Aufenthalt in der Lahn abwandern und dann über den Rhein nach Holland und von dort quer über den Atlantik in die Sargassosee (etwa Golf von Mexiko/Bermudadreieck) schwimmen, um sich am Ende ihres Lebens einmalig fortzupflanzen).

Dass es auf etwa 6.000 Kilometer weiten Weg über den Atlantik zu erheblichen Verlusten bei den Tieren kommt liegt auf der Hand, doch liegt heute das größte Problem für diese schon seltenen, wertvollen und einzigartigen Fische schon direkt vor unserer Haustür. Seit man in unseren Flüssen überall Wasserkraftanlagen mit Turbinen betreibt, können kaum noch Blankaale die zu Meer führenden Ströme erreichen, da sie so ziemlich alle in die ohne jeglichen Fischschutz ausgestatteten Anlagen und Turbinen eindringen. Entweder werden sie schon an den Rechen erdrückt, in den folgenden Turbinen regelrecht gehäckselt oder durch abrupt auftretende Druckunterschiede beim Durchgang durch die Turbinen getötet. Viele werden auch schwer verletzt und verenden dann nach einigen Tagen.

So konnte man gestern am späten Abend und heute Morgen wieder massenhaft die getöteten Aale beobachten! Es ist davon auszugehen, dass allein in der letzten Nacht allein an der Lahn mehrere Tonnen und Deutschland viele Tausend Tonnen dieser wertvollen Fische bestialisch getötet worden sind und für die Fortpflanzung nicht mehr zur Verfügung stehen. Mittlerweile ist auch der Aal nach IUCN-Liste vom Aussterben bedroht und die Wasserkraft hat hieran den wohl erheblichsten Anteil!

Die Behauptung der Lobbyisten und Betreiber der Aalmordmaschinen, es gäbe vor den Turbinen Schutzgitter (sog. Rechen) ist falsch. Obwohl in Hessen seit vielen Jahren 15 mm Rechenabstand gesetzlich vorgeschrieben ist, sind noch nicht 1 Prozent der Anlagen nachgerüstet worden und die meisten haben sogar Rechenweiten von 35 bis 100 Millimetern. Man kann davon ausgehen, dass nahezu 100 Prozent der in der Lahn und anderen Flüssen abwandernden Aale in den Wasserkraftanlagen grausam und tierschutzwidrig geschreddert werden!

Neben den Aalen werden ganzjährig Fische aller Arten tagtäglich in den Wasserkraftanlagen zerschlagen. Auch die abwandernden Junglachse mit einer Länge von 12 bis 15 Zentimeter Länge kommen passieren fast alle die Turbinen und werden zu ezwa 30% je Anlage getötet. Am zahlenmäßig Schlimmsten trifft es jedoch die sogenannte 0+-Generation – Jungfische aller Arten, die gerade schwimmfähig geworden sind. Diese stellen sich dann in den Hauptstrom und driften dann automatisch mit dem Hauptwasserstrom in die Turbinen und sterben dabei allesamt durch den abrupten Druckunterschied zwischen vor und hinter der Turbine.

Was ist den Gewässern mit den Fischen aller Arten mit Duldung der Regierungen und Behörden geschieht, kann nicht weiter geduldet werden, wenn der Tierschutz überhaupt noch ernst genommen werden soll! Auch die Tierschutzvereine und -verbände, die sonst gegen Jeden und Alles vorgehen, hüllen sich in Schweigen, da diese Gutmenschen wohl glauben, das in den Anlagen „Ököstrom“ produziert werde?

Um dem alljährlichen, abscheulichen Massaker in den Wasserkraftanlagen vorzubeugen, hatten wir die jeweils grünen Umweltministerinnen der Landesregungen in Hessen und Rheinland-Pfalz aufgefordert, die Wasserkraftanlagen in der Hauptwanderzeit der Aale vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember abzuschalten. Im letzten wie in diesem Jahr wurde das abgelehnt, da die Rechte der Anlagenbetreiber sowie öffentliches Interesse vorliege!

Auf die von uns vorgetragene Tierschutzgesetzgebung, die in den aquatischen Lebensräumen genauso gilt wie in den terrestrischen Lebensräumen und damit nicht teilbar ist, wird nicht eingegangen (Grundgesetz Art. 20a, BTierSchG, Tierschutz in den Landesfischereigesetzen, die allesamt lt. UBA und Juristen des Hess. Umweltministeriums Individualschutz fordern), als könnte man den Tierschutz damit aus der Welt schaffen.

Es ist einfach unglaublich, mit welcher Ignoranz gerade diese grünen Ministerinnen und Staatssekretäre in Hessen und Rheinland-Pfalz und nicht anders in BW oder NRW mit diesem Thema umgehen. Die glauben wohl  ernsthaft in ihrer ideologisierten politischen Welt, dass in den Wasserkraftanlagen „wertvoller Ökostrom“ erzeugt würde, der zum Schaden der wertvollen Wassertiere und zu Tode gequälten Kreaturen quasi zum Hohn durch alle gutgläubigen Stromverbraucher auch noch hoch subventioniert wird. Die Leser dieser Zeilen werden es zwar nicht glauben wollen, aber es ist leider die unverblümte und banale Wahrheit!

Alle „normalen Menschen“ sollten sich mit uns gemeinsam gegen diesen unglaublichen Frevel in unseren Gewässern und auch anderswo (z.B. Wald, Landschaft) zur Wehr setzen, denn im Moment findet überall ein unter dem Öko-Deckmantel ein unglaublicher Kahlschlag statt und es wird der klitzekleine, noch funktionierende Rest Natur auch noch „platt“ gemacht!

Winfried Klein
Gewässerwart des Fischerei-Sportverein Oberlahn e.V. 1885
Vorsitzender der IG-LAHN e.V.
Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Verband Hessischer Fischer e.V.