Kurz nach der Fertigstellung im Jahr 1959 wurde der Idbar Staudamm brüchig. Investoren und Bautrupp ignorierten die zahlreichen Warnungen der Lokalbevölkerung, dass die Kraft des Bašćica Flusses – bekannt für seine Unberechenbarkeit und schnellen Strömung – nicht zu unterschätzen sei. Idbar wurde kurz nach der Fertigstellung stillgelegt als der Fluss begann, den Damm zu durchbrechen. Nun fließt der Bašćica Fluss wieder frei. Konjic, Bosnien und Herzegowina.  © Andrew Burr
Die Vjosa in Albanien ist der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. 38 Wasserkraftprojekte sind an der Vjosa und ihren Zuflüssen geplant. © Andrew Burr
Die mutigen Frauen von Kruščica, Bosnien und Herzegowina. © Andrew Burr

Patagonia Gründer: Die verDAMMte Wahrheit

Patagonia Gründer Yvon Chouindard ist begeisterter Fliegenfischer © Jeremy Koreski

„Tatsache ist: Jeder Staudamm ist schmutzig und ihre destruktiven Auswirkungen überwiegen ihre Nützlichkeit bei weitem. Falls diese unsinnigen Projekte nicht gestoppt werden, werden die ökologischen Schäden und die Auswirkungen auf die Gemeinschaften vor Ort verheerend sein.“   (Yvon Chouindard)

Patagonia Gründer Yvon Chouinard hat einen augenöffnenden Artikel über Wasserkraft geschrieben, der diese veraltete und naturzerstörerische Technologie entlarven soll. Mehrere Medien, sowie die Huffington Post oder Focus haben den Artikel bereits aufgegriffen. Auch auf Patagonias Blog The Cleanest Line ist er zu lesen. Viel Spaß beim Lesen!

 

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Die verDAMMte Wahrheit
Von Yvon Chouinard

Europas letzte natürliche Flussläufe sind in großer Gefahr. In diesem Fall geht die Gefahr nicht von extremen Dürrezeiten oder von Fabriken mit ihren toxischen Abwässern aus. Sie kommt von den Staudämmen zur Energieerzeugung, die vielfach als Quelle für saubere, umweltfreundliche und erneuerbare Energie gepriesen werden. Tatsache ist: Jeder Staudamm ist schmutzig und ihre destruktiven Auswirkungen überwiegen ihre Nützlichkeit bei weitem. Der Strom, den sie erzeugen, kann heutzutage auch viel effektiver aus anderen Quellen gewonnen werden, die keine Flussläufe stören, die keine Lebensräume zerstören und die keine Menschen vertreiben. Falls diese unsinnigen Projekte nicht gestoppt werden, werden die ökologischen Schäden und die Auswirkungen auf die Gemeinschaften vor Ort verheerend sein.

Ich hatte nie vor, ein Geschäftsmann zu werden. Doch jetzt, wo ich einer bin, bin ich fest entschlossen, mein Unternehmen und meine Stimme einzusetzen, um dabei zu helfen, die größten Umweltherausforderungen dieser Welt zu lösen. Wir bei Patagonia setzen uns seit mehr als vierzig Jahren für den Schutz der Natur ein, um all die Orte zu bewahren, die unsere Kunden und Mitarbeiter ins Herz geschlossen haben. Zudem ermutigen wir andere, mit uns gemeinsam für den Schutz unseres Planeten zu kämpfen. Dabei wollen wir auch solche Bedrohungen angehen, die vielfach übersehen oder missverstanden werden.

Von den Schäden, die Staudämme verursachen, habe ich erstmals wegen meines Interesses an Flüssen als begeisterter Fliegenfischer erfahren. Flüsse sind nicht nur schön anzuschauen. Sie sind die Arterien des Planeten, sie bewegen Nährstoffe und lebensnotwendige Sedimente vom Land in die Weltmeere und ernähren so Plankton und Fische.  Sie versorgen Millionen von Menschen mit sauberem Trinkwasser. Flüsse transportieren auch jedes Jahr rund 200 Millionen Tonnen Kohlenstoffe in die Weltmeere und sorgen so dafür, dass die Atmosphäre von dieser Belastung befreit wird, womit sie uns bei der Bekämpfung des Klimawandels unterstützen. Das entspricht mehr als 10 Prozent der Kohlenstoffe, die jedes Jahr von allen Kraftfahrzeugen in den USA ausgestoßen werden. Gesunde Flüsse und ihre Auen schützen uns vor Überschwemmungen und Trockenheiten, deren Auswirkungen wegen des Klimawandels immer schlimmer werden.

Staudämme stellen eine große Bedrohung für all das dar. Anders als die Solar- oder Windenergie führt Wasserkraft dazu, dass Arten aussterben, Menschen vertrieben werden und der Klimawandel verschärft wird. Neuere wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Stauseen, die durch Staudämme entstehen, jährlich rund eine Milliarde Tonnen Kohlendioxidäquivalente in die Luft abgegeben, hauptsächlich in Form von Methan. Dies geschieht, weil die überfluteten Gebiete chemische Reaktionen auslösen, denn alle Bäume und sonstige Vegetation beginnen unter Wasser plötzlich zu faulen. Man könnte also sagen, dass diese angeblich „umweltfreundliche“ Energie, mit der die Emissionen reduziert werden sollen, tatsächlich den gegenteiligen Effekt bewirkt.

Staudämme sind außerdem unzuverlässig, weil ihr Betrieb vom jeweiligen Wasserstand abhängig ist.  Aufgrund der geringen Regen- und Schneefälle in Europa im letzten Jahr, fiel die Wasserkrafterzeugung auf dem gesamten Kontinent auf den tiefsten Stand in diesem Jahrhundert.

Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, sind Staudämme auch unglaublich teuer. Planungsfehler, technische Probleme und Korruption verursachen im Durchschnitt Verzögerungen um 44 Prozent und Kostenüberschreitungen von 96 Prozent. Und auch nach der Fertigstellung fallen enorme Kosten an, für die mitunter ungeheuer teure Instandhaltung. In den USA wurden mehr als 1.000 alte Staudämme abgerissen, wodurch wiederum große Kosten entstanden sind. Viele Staudämme bergen zudem beträchtliche Sicherheitsgefahren. Insgesamt wurden seit 1950 geschätzte 2 Billionen Dollar für Staudämme ausgegeben.

Im Vergleich dazu sind Wind- und Solarprojekte viel sauberer, effektiver und können schneller errichtet werden als Staudämme.  Erneuerbare Wind- und Solarenergie schafft weltweit vier- bis fünfmal so viele Arbeitsplätze wie kleine Wasserkraftanlagen.

Aus all diesen Gründen ist es nicht nur eine Geldverschwendung, sondern vor allem eine moralische Schande, dass die weltweit größten Banken diese überholte und ausbeuterische Technologie unterstützen und neue Staudämme in den letzten unberührten Regionen Europas finanzieren. 

Außerhalb von Russland ist die Balkanhalbinsel die Heimat der meisten frei fließenden Flüsse in Europa sowie kristallklarer Bäche, extensiver Kiesbänke und unberührter Auenwälder.  Diese Flüsse versorgten Generationen von Menschen mit Trinkwasser und dienten der Bewässerung von Gärten und kleinen Feldern.

Mehr als 3.000 neue Staudämme sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt von Slowenien bis Griechenland in Planung. Nahezu die Hälfte der Projekte sollen innerhalb geschützter Gebiete errichtet werden, einige davon sogar in Nationalparks, und bei sehr vielen Projekten ist noch nicht einmal die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Diese Staudämme könnten den größten und letzten unberührten Fluss in Albanien zerstören, den bedrohten Donaulachs in Bosnien und Herzegowina vollends ausrotten, das Überleben des stark gefährdeten Balkanluchses in Mazedonien aufs Spiel setzen und Gemeinden in der ganzen Region vertreiben.

Es ist noch nicht zu spät, diese zerstörerischen Projekte zu stoppen. Hier sind drei Maßnahmen, an denen wir uns alle beteiligen können.

Erstens sollten wir die Aktivisten und Gemeinschaften in ihrem Kampf gegen die Staudämme unterstützen. Letztes Jahr hat beispielsweise die Bereitschaftspolizei die friedlichen Proteste bosnischer Frauen an der Kruščica mit Gewalt aufgelöst. Daraufhin hat sich die Gemeinschaft neu organisiert und blockiert jetzt wieder zwei geplante Staudämme, die ihre Trinkwasserversorgung bedrohen.

Zweitens sollten wir die internationalen Entwicklungsbanken dazu aufrufen, Projekte dieser Art nicht mehr zu finanzieren. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die internationale Entwicklungsbank Internationale Finanz-Corporation (IFC) haben mehr als 700 Millionen Euro in die Finanzierung von Staudamm-Projekten auf dem Balkan gepumpt. Wir müssen diese Banken davon überzeugen, dass wir die Finanzierung solcher Projekte einstellen müssen. Das wäre auch ein starkes Signal an andere Investoren, ihr Geld nicht mehr in solche umweltschädlichen Projekte zu stecken. Für rund 1.000 geplante Wasserkraftprojekte auf dem Balkan ist die Finanzierung noch nicht abgeschlossen. Es ist also noch nicht zu spät!

Drittens müssen wir in ganz Europa und weltweit dafür sorgen, dass die Implementierung sauberer und kostengünstigerer Energiealternativen schneller vorangetrieben wird. Albanien ist zum Beispiel mit 300 Sonnentagen pro Jahr gesegnet. Die verstärkte Nutzung der Solarenergie wäre nicht nur viel besser für Mensch und Umwelt, sondern auch noch deutlich günstiger, statt die Vjosa, den größten der letzten natürlichen Flussläufe in Europa, mit Staudämmen zu verbarrikadieren.

Es ist höchste Zeit, die Wahrheit über die tatsächlichen Kosten dieser Staudämme ans Licht zu bringen. In den USA müssen wir jetzt den Preis für unseren eigenen Staudamm-Boom bezahlen, unter anderem mit Gemeinden, die von ihren Flüssen abgeschnitten wurden, Arten, die ausgestorben sind, und mit der niemals endenden Liste von teuren Rückbauprojekten. Ich hoffe wirklich, dass Europa nicht die gleichen Fehler begeht.

 

Yvon Chouinard ist der Gründer der Patagonia, Inc. sowie Produktionsleiter von „DamNation“ und dem kommenden Dokumentarfilm „Blue Heart“.

Um mehr über die Wasserkraftsproblematik sowie über die Staudammpläne am Balkan und den Blue Heart Film zu erfahren, besuchen Sie patagonia.com/blueheart.

zu erfahren To learn more about the problems with hydropower, the proposed dams in the Balkans and our upcoming film, Blue Heart, visit patagonia.com/blueheart.